Die Trapezshow war der Höhepunkt der Zirkusaufführung: Schülerinnen und Schüler der Reutlinger Oberlinschule zeigten Balancekunststücke, Salti und mutige Kraftübungen in luftiger Höhe. „Und dann klatschen alle“, hatte der zuständige Lehrer bei der Vorbereitung prophezeit und behielt Recht. Eine Woche lang, zwei Stunden pro Tag hatten sich die rund 60 Schülerinnen und Schüler der ersten bis vierten Klassen auf die Aufführung beim Jahresfest der BruderhausDiakonie am 30. Juni 2024 vorbereitet. Lehrkräfte, Betreuerinnen und Betreuer sowie der Zirkustrainer und Artist Martin Bukovsek bereiteten sich mit ihnen vor. Ob sie zaubern, jonglieren, auf Leitern balancieren, Seil springen oder bei der Raubtiershow mitmachen wollten, entschieden die Kinder selbst – auch, was sie sich zutrauten. Bei der Akrobatik auf Leitern mussten sie sich auf ihre Mitschüler verlassen, beim Jonglieren gemeinsam der Choreografie folgen. In der Zaubershow ließ ein Schüler – simsalabim – gar ein Mädchen aus dem Publikum verschwinden. Rund 500 Zuschauerinnen und Zuschauer hatten sich am Jahresfestsonntag zur Aufführung auf der Wiese vor der Schule versammelt und applaudierten bei jedem Kunststück.

Ein Kampftanz, der den Atem stocken lässt

Etwas später stockte den Umstehenden immer wieder der Atem bei der Capoeira-Aufführung. Der brasilianische Kampftanz kommt völlig ohne Körperkontakt aus, beinhaltet spektakuläre Bewegungsabläufe: Handstandüberschlag vorwärts und rückwärts, Körperdrehungen auf einer Hand oder gänzlich in der Luft – und das alles auf engem Raum, umringt von Zuschauerinnen und Zuschauern. Die Gruppe der Oberlin-Jugendhilfe und des Capoeira-Vereins Reutlingen-Tübingen erhielt viel Beifall.

Wie ein Junge ohne Stimme spricht

Die Erlebnislesung der Schauspielerin Katrin Bühring im Werkstattgebäude kam gänzlich ohne spektakuläre Effekte aus und beschrieb dennoch auf eindrückliche Weise, wie es einem Jungen ergeht, der nicht sprechen kann. Über einen Talker, der getippte Wörter in Sprache umwandelt, macht er sich verständlich und wird in der Geschichte „Abie Alba – Der Junge Ottokar“ zum Held. Die Zuhörerinnen und Zuhörer konnten im Anschluss an die Lesung einen Talker ausprobieren. Die Werkstätten hatten ihre Türen geöffnet, Interessierte konnten sie mit oder ohne Führung besichtigen.

Vor Glücksrädern bildeten sich Menschenschlangen

Auf dem gesamten Festgelände, in Betriebsrestaurant, Gemeinschaftshaus und Seniorenzentrum luden zahlreiche Sitzgelegenheiten ein, zu verweilen und eines der vielfältigen Speiseangebote zu genießen. Die Stadtkapelle Reutlingen sowie zwei Bands sorgten für musikalische Unterhaltung.

Für Kinder waren zwei Spielstraßen, ein mittelalterlicher Wasserspielplatz, ein Kettcar-Parcours sowie ein Fußball-Dart aufgebaut. Kinder und Erwachsene standen Schlange vor den Glückrädern beim Stand Beruf und Karriere der BruderhausDiakonie und beim Stand des inklusiven Tochterunternehmens Intego gGmbH, die unter anderem Gartenbauarbeiten übernehmen. Gewinne versprach auch die Tombola der Kreativwerkstatt.

Maiskörner ploppten über Feuerstelle zu Popcorn

Auf einer Verkaufsstraße, die sich durch das untere Gaisbühl-Gelände zog, boten Werkstätten aus verschiedenen Einrichtungen in Baden-Württemberg ihre Waren an. Der Bereich Umwelt und das unternehmenseigene Museum Gustav Werner Forum waren ebenfalls mit einem Stand vertreten.

Auf dem Hofgut Gaisbühl verliehen weiße Tische und Stühle der zentralen Rasenfläche Kaffeehaus-atmosphäre. Doch die Menschen, darunter viele Familien, zog es nicht nur zu Kaffee und Kuchen den Hügel hinauf. Große Nachfrage gab es bei den Ofenkartoffeln. Eine besondere Attraktion war über dem Feuer in Stiltöpfen selbsthergestelltes Popcorn. Anziehungspunkte waren zudem die Ställe mit Alpakas und Schafen sowie die Kreativwerkstatt.

Sich für Vielfalt und Toleranz einsetzen

Begonnen hatte das Jahresfest mit einem Gottesdienst, den der Chor der Reutlinger Kreuzkirchengemeinde sowie der Reutlinger Posaunenchor musikalisch begleiteten. Schülerinnen und Schüler der Oberlinschule stellten vor rund 300 Gästen im Gottesdienst ihr prämiertes Nachhaltigkeitsprojekt Krokolin vor. Der Reutlinger Prälat Markus Schoch griff den Gedanken Umweltschutz auf und sagte: „Es kann nicht so weitergehen wie bisher. Wir müssen aufbrechen und neue Wege gehen.“ Diese Aussage bezog er auch auf die Diakonie. Neue Wege seien nötig, um wieder mehr Menschen mit der christlichen Botschaft zu erreichen. Die Kirche dürfe Konflikten nicht aus dem Weg gehen, sagte er. „Als Kirche und Diakonie müssen wir widersprechen, wenn Probleme genutzt werden, um Hass und Zwiespalt zu säen.“ Dazu gehöre, sich unmissverständlich für Vielfalt und Toleranz einzusetzen. Vielfalt spiegelte auch das Jahresfest der BruderhausDiakonie wider –sowohl beim Angebot als auch bei den Veranstaltern und den Besucherinnen und Besuchern.